Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl

Jeremia 29, 7

 

Es muss Mitte der 90iger Jahre gewesen sein, da bekam Ockenfels einen Buswendeparkplatz. Zusammen mit meinem damaligen katholischen Kollegen durfte ich ihn einweihen. Das war schon irgendwie speziell: geistliche Worte finden für den Ockenfelser Buswendeparkplatz. Keine Ahnung, was ich damals gestammelt haben mag. Heute denke ich: so einen Platz müsste es in jedem Dorf, in jeder Stadt geben: einen Umkehrplatz. Es müsste ein Platz zum Wenden da sein, meinethalben auch für Busse, Autos, Motorräder und Fahrräder. Vor allem aber müsste es der Platz sein, auf dem Menschen einfach nur ruhig stehen und an ihren Gedanken arbeiten können. So können sie innehalten, in sich gehen - was ja auch eine Form des Betens ist - und sich fragen:

Bin ich noch auf dem richtigen Weg?

Kann ich einfach „weiter so“ leben und handeln oder muss ich etwas ändern?

Sollte ich umkehren oder gar umkehren müssen?

Immerhin, das kleine Ockenfels verfügt über einen solchen Platz. Wenn auch die Ockenfelser diesbezüglich wohl nur an ihren fahrbaren Untersatz denken werden.

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Ich denke aber bei „Umkehrplatz“ an unsere Gotteshäuser.

Wer eins davon betritt, sollte möglichst nicht sofort schon „mit sich im Reinen sein“. Wer in unsere Linzer Kirche - die dank etlicher ehrenamtlicher Kirchenhüter freitags bis sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet ist - oder auch in eine andere Kirche geht, um sie zu besichtigen oder um den Gottesdienst mitzufeiern, sollte seine Kirche eher fragend betreten:

Bin ich dir recht, Gott? Lebe ich nach deinem Willen?

Je ernster ich mich so frage, desto eher könnte sich ein gewisses Unbehagen einstellen. Denn es könnte ja sein, dass ich Gott doch nicht so recht bin, wie ich mich selber ganz in Ordnung finde. Es könnte ja sein, dass Gottes Wille etwas oder ziemlich anders ist als das, was ich tagtäglich lebe.

Das könnte doch sein, oder?

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Es war dieses „sich ganz in Ordnung finden“, was zur Katastrophe des Volkes Israel wurde im Jahr 587 vor Christus und wovon viele Propheten, auch Jeremia, lange vor dem Unheil schon gesprochen hatten. Da konnten die Propheten noch so deutlich sagen: Seid eurer Sache nicht so sicher – kaum einer wollte sie hören. Unheils-Vorhersagen will man nicht, mag sie nicht hören, nimmt sie einfach nicht zur Kenntnis. Weil man sich ja in Ordnung findet, weil das alles doch nur Schwarzmaler sind, weil niemand hinter seinen Lebensstandard und seine festen Ansichten und Meinungen zurück will.

Wenn heute einer sagt: Euer Lebensstandard ist nicht zu halten, weil die Erde dabei zugrunde geht – wer hört das so, dass sie oder er sein Leben verändert?

Wenn heute einer sagt: Euer Wohlstand ist teuer erkauft, weil es die Menschen in den sowieso schon armen Ländern noch viel ärmer und hungriger macht –

wer verändert dann seine Gewohnheiten?

Wenn heute eine warnend den Finger hebt und sagt: Unzählig viele Tiere müssen unendlich dafür leiden, weil sie uns so gut schmecken –

wer verändert dann den Speisezettel?

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Nur die werden sich vielleicht allmählich verändern, die einen Umkehrplatz kennen, zum Beispiel ihr Gotteshaus. Wer sich Gott nähert aus welchen Gründen auch immer, sollte nicht zu zufrieden sein mit sich selber. Es könnte ja sein, dass Gott das ganz anders sieht und ganz andere Eindrücke von mir und anderen hat. Es könnte ja sein, dass wir Gott nicht so gut gefallen, wie wir uns selber gefallen. Es könnte doch sein, dass er uns fragend will und nicht selbstgewiss.

Wenn das so ist, dann sind wir gut beraten, uns im Gotteshaus nicht so heftig auf die eigene Schulter zu klopfen, sondern vielmehr zu fragen:

Was könnte ich ändern, um der Stadt Bestes zu suchen?

Was liegt an mir, damit es meinem Dorf, meiner Stadt, meinem Land und der ganzen Welt besser geht – oder weniger schlecht?

Wo erkenne ich, dass ich mit meinem Leben dem Willen Gottes zuwiderhandle?

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Darum bin ich der festen Überzeugung: wer in eine oder in seine Kirche geht, betritt einen Umkehrplatz; einen Umkehrplatz, der einlädt zur inneren Einkehr und zum Gebet. Wenn ich bete, bin ich doch immer auch auf der Suche nach Gott. IHN kann ich fragen: Was willst du, Herr, das ich ändere?

Jeremia weiß darauf Rat. Denn er verspricht im Namen Gottes, ohne jede Einschränkung:

Wenn ihr Gott von ganzem Herzen suchen werdet,

so will Gott sich von euch finden lassen.

Wenn ich meiner Sachen nicht so sicher bin und darum nach Gott und seinem Willen frage, werde ich auch eine Antwort erhalten, eine Antwort für mich erhalten, ganz für mich.

Einen Umkehrplatz verlässt man immer etwas verändert. Kaum äußerlich, dafür aber innerlich. Gleich oder bald wird mir klar werden, was ich ändern kann oder muss. Vielleicht tut es zunächst etwas weh, mich zu ändern. Aber ganz gewiß wird es der Welt um mich herum, der Stadt, in der ich wohne, helfen.

Und die Chance ist groß, dass ich auch meinen Mitmenschen anders begegne.

Das wiederum dient alles der Ehre Gottes!

In diesem Sinne ermutige ich Sie und euch danach zu suchen, was der Stadt Bestes ist. Unsere kirchlichen Umkehrplätze sind offen!

Ihr/euer Pfarrer Christoph C. Schwaegermann

Übrigens: Der Ockenfelser Buswendeparkplatz trägt seit einigen Jahren in Anlehnung an die angrenzende Donatus-Kapelle den Namen Donatus-Platz. Leider wurde diese Kapelle aber vor vielen Jahren verkauft und wird seitdem nicht mehr genutzt….

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